Niemand glaubt Mariematter, als sie erzählt, seit einigen Tagen stehe ein Rind auf dem Balkon ihrer Wohnung im Hochparterre eines Wohnblocks. Sie umsorgt es, so gut sie eben kann, schmückt es mit farbigen Bändern und träumt von der Zeit, als sie noch ganz oben gelebt hat, oben am Horizont mit den Kühen. Vielleicht hätte es Mariematter getröstet zu wissen, dass zur gleichen Zeit die Beduinen in der Wüste jede Nacht das Bimmeln und Summen der Kuhglocken hören, während durch die Bahnhofstrasse einer grossen Stadt brüllende Rinder rennen.
Rinder ziehen durch jede Kurzgeschichte von Elisabeth Zurgilgen, sie rennen Zäune ein und andere Grenzen, bis sie sich wieder ganz oben wiederfinden, an der Schneefallgrenze. Der Grund für all diese seltsamen Begebenheiten könnte eine uralte Geschichte sein, die schon immer verboten war, die aber kürzlich jemand wiedererzählt haben muss. Sie erzählt von einem Rind, natürlich, und von einer Sehnsucht, der man nachsagt, sie treibe den Lauf der Dinge voran.
- Herausgeber : Lungern : Lava 2010
- Softcover 102 S.
- ISBN-10 : 3952364606
- ISBN-13 : 9783952364604